«Seit der Gründung ein sehr reflektierter Club»
Interview mit Konrad Hummler, Präsident Clubjahr 2025/2026
Koni,
Du bist im Jubiläumsjahr Präsident unseres Clubs. Eine besondere Ehre?
Die Besetzung des Präsidiums im Jubiläumsjahr wurde von
langer Hand vorbereitet, es war früh klar, dass Thomas Scheitlin und ich das
machen. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit, unter anderem im Militär, und
unsere Zusammenarbeit hat sich bisher immer bewährt. Deshalb haben wir uns als
Doppel zur Verfügung gestellt – unsere langjährige Freundschaft erhält dadurch so
etwas wie eine Krönung. Und ja: Selbstverständlich ist es eine besondere Ehre! Doch
neben der Ehre bedeutet es auch etwas Arbeit, das darf man nicht unterschätzen.
Die
Arbeit war und ist, zusammen mit Thomas Scheitlin das Jubiläumsjahr 2025
aufzugleisen. Hat es der Club denn verdient, gefeiert zu werden?
Ganz klar ja. Der Rotary Club St. Gallen ist seit
seiner Gründung stets ein sehr reflektierter Club gewesen. Wenn man die
Geschichte verfolgt, ist es beispielsweise eindrücklich zu sehen, dass es in den
1930er Jahren keine grösseren ideellen Verwerfungen gegeben hat. Im Gegenteil,
der Internationalismus, der im rotarischen Grundgedanken drin ist, wurde immer
aufrechterhalten. So nahe an der deutschen Grenze ist das schon bemerkenswert.
Dass eine Institution völlig verschiedene Zeiten überleben kann und in den
Grundprinzipien immer noch genau gleich ist – die Statuten sind heute nicht so
anders als 1925 –, zeigt, dass sie sehr resilient ist.
Ist
die Rotary-Idee, die vor 100 Jahren als Herren-Runde in Chicago begann,
eigentlich noch zeitgemäss?
Ja und nein. So, wie sie seinerzeit entstand, wäre sie heute
sicher nicht mehr zeitgemäss – nur schon, weil lange Zeit die Frauen fehlten. Für
unseren Club war es zweifellos eine grosse Bereicherung, als wir 1999 diese
Öffnung vollzogen. Zudem hat Rotary die hehren Ansprüche der seinerzeitigen
Gründer, die Welt zu verbessern, etwas zurückgenommen.
Du hast Dich in unserem Jubiläumsbuch eingehend mit den
Werten von Rotary befasst
Man erkennt eine Entwicklung: Anfänglich wurden grosse Hoffnungen
formuliert, die später enttäuscht wurden. Heute ist man etwas nüchterner, man
schaut in erster Linie darauf, dass der eigene Club ein gutes Eigenleben hat. Alles,
was es darüber hinaus noch gibt, ist zweifellos faszinierend, aber ich glaube
nicht, dass wir die Welt verändern können. Oder nur ein bisschen vielleicht. Das
wäre immerhin schon besser als nichts.
Halten dennoch universelle Werte Rotary zusammen?
Durchaus, aber ebenso wichtig sind ganz pragmatische Dinge. Ich
glaube, dass der jährliche Wechsel in allen wichtigen Funktionen sein Gutes
hat, denn dadurch gibt es wenige Seilschaften. Das ist eine der grössten
Stärken und für die Weiterexistenz eines Freundschaftsclubs existenziell.
Ist Rotary elitär?
Von elitär kann keine Rede sein, wir sind gewöhnliche
Berufsleute, die irgendwo Verantwortung wahrnehmen.
Diese verantwortliche Rolle in Wirtschaft und
Gesellschaft ist ein Auswahlkriterium für Neumitglieder.
Ja, und wenn man das bereits als elitär betrachtet, dann
sind wir es eben in einem gewissen Sinn. Aber Rotary ist nicht die Haute Volée,
die mit dem Lamborghini vorfährt.
Wie
muss sich der Rotary Club St. Gallen entwickeln, damit es auch eine
150-Jahr-Feier gibt?
Der Club muss unbedingt die rotarischen Prinzipien
aufrechterhalten – beispielsweise, dass man nicht nein sagt als Rotarier, wenn
jemandem ein Amt oder eine Aufgabe angetragen wird. Man weiss ja, dass es
insofern fair ist, als die Mehrbelastung in absehbarer Frist wieder vorbei ist.
Wichtig ist auch das Festhalten an den wöchentlichen Treffen.
Natürlich gibt es vor allem jüngere Mitglieder, die beruflich so eingespannt
sind, dass sie mehr Schwierigkeiten als früher haben, um regelmässig dabei sein
zu können. Umgekehrt geben die Treffen auch eine Grundsicherheit: Man weiss,
dass man jede Woche einige Leute trifft, die man kennt. Das hat durchaus einen
Stammtisch-Aspekt. Mein Wunsch wäre, dass wir dabei die soziale Seite noch
etwas mehr gewichten und die kameradschaftliche Mitverantwortung für das
Vis-à-Vis mehr wahrnehmen. Denn genau diese Kohärenz fehlt in unserer modernen Gesellschaft.
Der St. Galler Unternehmer und Publizist Konrad Hummler war
u. a. geschäftsführender Teilhaber der Privatbank Wegelin & Co. und
Präsident der Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell. Zusammen
mit Rudolf Lutz gründete er die J.-S.-Bach-Stiftung St. Gallen. Konrad
Hummler gehört dem RC St. Gallen seit 1991 an.