«Unsere Bereitschaft zum Service wird mehr gebraucht denn je»
Ulrike, was hat Dich bewogen, das Präsidium des Rotary Clubs
St. Gallen zu übernehmen?
In
einem Wort: Dankbarkeit. In den jetzt bald zwanzig Jahren, in denen ich
Mitglied von Rotary bin, hat mir der Club sehr viel gegeben, und ich möchte ihm
gerne etwas zurückgeben.
Möchtest Du in Deinem Präsidialjahr einen besonderen
Schwerpunkt setzen?
Nachdem
wir uns im vergangenen Präsidialjahr mit unseren Hoffnungen und Wünschen für
unseren Club beschäftigt und dabei immer wieder über Freundschaft gesprochen
haben, haben wir – unser Programmchef Beat Mäusli und ich – für dieses Jahr das
Motto «In aller Freundschaft» gewählt und wollen damit Gelegenheit geben, das
Thema von den verschiedensten Blickwinkeln aus anzuschauen und vielleicht von
ihnen das eine oder andere zu lernen.
Was bedeutet denn Freundschaft für Dich persönlich?
Das
Salz des Lebens, ganz einfach gesagt. Ich nehme Freundschaft in einem weiten
Sinn, weil ich sie überall da zu finden versuche, wo ich Menschen begegne,
egal, ob beruflich, privat oder eben im Club – ob das die zarte Variante der
grundsätzlichen Bereitschaft zu Freundlichkeit und Akzeptanz gegenüber anderen
ist, die kraftvolle Mischung aus Affinität, Neugier und Vertrauen, die mich mit
einzelnen Menschen verbindet, die tiefe Herzensfreundschaft als Fundament einer
Lebenspartnerschaft oder die aktive Solidarität mit Menschen überhaupt.
Freundschaft ist für mich im Individuellen ein Geschenk und im Allgemeinen eine
Grundeinstellung gegenüber dem Leben.
Dein Vorgänger Stefan Loacker hat mit der Club-Reflexion
angestossen, dass wir über Sinn und Zweck von Rotary auseinandersetzen. Findest
Du selbst Rotary noch zeitgemäss?
Ja,
durchaus. Es ist natürlich schwierig, in Zeiten der zunehmenden Mobilität den
inneren Zusammenhalt eines Clubs zu stabilisieren und weiterzuentwickeln, aber
gerade deswegen lohnt es sich, daran zu arbeiten – nicht zuletzt, weil unsere
Bereitschaft zum Service heute mehr gebraucht wird denn je; hier haben wir eine
Verpflichtung, und dafür, ihr nachzukommen, ist Rotary – wie andere
Serviceclubs auch – praktisch wie ideell das richtige Gefäss.
Welche konkrete Massnahmen lassen sich aus der Club-Reflexion
ableiten?
Für
mich ist das konkreteste Ergebnis die Erkenntnis, wie wichtig es ist, immer mal
wieder darüber nachzudenken, was uns als Gemeinschaft zusammenhält – nicht im
Sinn der Setzung von Normen, sondern in demjenigen der Notwendigkeit, diese
Gemeinschaft bewusst zu leben. Ein Club ist nicht eine Maschine, die man sich
anschafft und die dann einfach läuft, sondern ein lebender Organismus, der
gepflegt sein will, im Gespräch nach innen wie nach aussen.
In zwei Jahren feiert der Club sein 100-jähriges Bestehen.
Wie muss sich der Club entwickeln, dass er auch weitere Jubiläen feiern kann?
Es hilft, meine ich, vor
allem auch an der Freude des Zusammenseins zu arbeiten. Einem Club beizutreten
ist eine freiwillige Entscheidung, mit der natürlich auch Verantwortung
einhergeht, aber diese Verantwortung wird nur dann fruchtbar für alle, wenn sie
mit Lust und Fröhlichkeit getragen wird. Wenn es Rotary gelingt, diese Freude
am Leben zu halten und damit die Basis unserer Gemeinschaft weiter zu stärken, dann
sehe ich viele weitere Jubiläen in unserer Zukunft.
Interview: Philipp Landmark
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Prof.
Dr. Ulrike Landfester (* 1962) ist Literatur- und Kulturwissenschaftlerin. Sie
Professorin für Deutsche Sprache und Literatur und an der Universität
St.Gallen, an der sie von 2011 bis 2019 auch Prorektorin war.